Carlo G. Reßler
Heilhypnose - so sanft wie verkannt
In unserer schnelllebigen Welt lassen wir Menschen uns gerne vom Reiz des Neuen und vermeintlich noch Besseren leiten, dies gilt natürlich gerade auch im gesundheitlich-medizinischen Bereich. Dabei geraten jedoch viele, bereits seit Jahrhunderten auch wissenschaftlich bestens erforschte und bewährte Therapien leider oft in Vergessenheit.
Ähnlich erging es auch der Heilhypnose, die lange schulmedizinisch verkannt und belächelt eine Art "Dornröschenschlaf" führte. Geschichtlich belegbar (natürlich in abgewandelter Form) wurde Hypnose jedoch schon 4000 v. Chr. von den Sumerern, dem ältesten Kulturvolk der Erde, therapeutisch zur Heilung der Seele eingesetzt. Auch in vielen anderen Kulturen sind Heilungsrituale mit Trancezuständen beschrieben worden, z. B. wurde auch 500 v. Chr. beim berühmten neuntägigen "ägyptischen Tempelschlaf" Hypnose (schlafähnlicher Zustand) für Heilungsinformationen genutzt.
Im Westen wurde diese sanfte und gleichzeitig intensiv wirksame Heilkunst erst durch Hans-Anton Messner neu verbreitet. Durch seine berühmten "magnetischen Streichungen" konnte er im 18. Jahrhundert vielen Menschen auf damals "unerklärliche Weise" bei ihrer Heilung entscheidend helfen.
Fortan setzten viele weitere, später berühmt gewordene Therapeuten, wie der Augenarzt James Braid, oder Sigmund Freud sowie auch Carl-Gustav Jung hypnoseähnliche Zustände zur erfolgreichen Heilung ihrer Patienten ein. Eine breitere Anerkennung findet diese nachhaltige und sanft wirksame Therapie jedoch erst seit wenigen Jahren.
Meister der Hypnotherapie
Besonders ein Mann verfeinerte durch seine besonderen Fähigkeiten die Hypnose im letzten Jahrhundert zu einem einzigartigen "Kunstwerk": der Amerikaner Milton Erickson (1901-1980) hatte für seine überaus erfolgreiche, Hypnotherapie genannte Methode, die klare Einstellung: "Jeder Mensch kann grundsätzlich hypnotisiert werden" und er entwickelte hierfür geradezu geniale, indirekt wirkende Sprachmuster.
Vor Erickson gab es fast nur die direkte (autoritäre) Suggestion, als Beispiel die Anweisung "Du wirst nun müder und müder und schließt jetzt deine Augen!" Bei M. Erickson würde diese Formulierung viel indirekter und scheinbar um Erlaubnis bittend lauten: "Und wenn Du jetzt möglicherweise spürst, wie du müder und müder wirst, bist du völlig frei, dich dagegen zu wehren oder nun gleich ganz einfach deine Augen zu schließen und Dich jetzt tiefer sinken zu lassen - in eine wunderbar angenehme tiefe Ruhe und Ent-Spannung."
Jeder kann selbst für sich entscheiden welche Form auf ihn einladender wirkt. In der Regel jedoch werden "Erlaubnis-Anweisungen" wie im 2. Beispiel von unserem Unbewussten viel leichter und schneller aufgenommen.
Milton Erickson hat im Laufe seines langen Therapeutenlebens unendlich viele dieser hypnotisch sehr wirksamen Formulierungen (mit eingebetteten oder verdeckten Anweisungen) erschaffen.
Im Gegensatz zur sog. "Klassischen Hypnose" mit oben beschriebenen direkten Anweisungen, ist die Form nach Erickson eine sehr elegante und vielseitige Form der Hypnose. Ihr Vorteil ist, dass sie vollständig auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Patienten eingeht. Hier wird davon ausgegangen, dass jeder bereits alle nötigen Fähigkeiten und Ressourcen zur Heilung selbst in sich trägt. Im richtigen Kontakt mit dem Unterbewusstsein geschieht die Problemlösung dann meist autonom, der Therapeut stützt diesen Heilungsprozess lediglich geschickt. Heute arbeiten viele gute Therapeuten mit den kraftvollen "Erickson-Mustern" der Hypnotherapie überaus erfolgreich!
Trance ein natürlicher Bewusstseinszustand
Der in einer Hypnose auftretende heilsam-angenehme Ruhezustand wird auch als "Trance" bezeichnet. Eine solche Trance, mit äußerer tiefer Ruhe und nach innen gerichteter hoher Aufmerksamkeit, wird von fast allen Menschen – in etwas anderer Form – fast täglich erlebt. So z. B. beim intensiven Lesen eines Buches, beim Anschauen eines faszinierenden Films, oder beim abendlichen Übergang vom Wachbewusstsein in den Schlaf.
Es ist also ein jedem bekannter vollkommen natürlicher Bewusstseinszustand, den wir übrigens schon lange vor unserer Geburt als selig-wohliges Gefühl im Mutterleib erfahren haben. In einer therapeutischen Heilhypnose wird dieser Zustand lediglich bewusst hergestellt und intensiviert.
In einer Trance tritt unser sonst ständig kontrollierendes Wachbewusstsein in den Hintergrund und das Tor zur inneren Welt der Symbole und eigenen Bildvorstellungen wird weit geöffnet (wie sonst auch im nächtlichen Traum).
Um vielen Panik machenden Mythen und Geschichten über Hypnose direkt entgegenzutreten: Das alte Bild einer Showhypnose mit willenlos Hypnotisierten ist vollkommen falsch und wird in seriöser Therapie niemals vorkommen! In einem therapeutischen Trancezustand geschieht absolut nichts womit ein Klient/Patient nicht wirklich einverstanden ist, er hat jederzeit die volle innere Kontrolle über alles Erlebte und Gesagte und wird nie gegen seine eigene innere Ethik handeln! Alles was in Hypnose offenbar wird, kommt letztendlich aus dem Unterbewussten des in Trance befindlichen Menschen selbst und dient seiner Problemlösung.
Wie ein riesiger Eisberg unter Wasser
Wissenschaftlich belegt ist, das alles was wir täglich bewusst und vom logischen Verstand her tun und sagen nur ca. 10% der Ressourcen sind, die uns tatsächlich zur Verfügung stehen – sozusagen "die Spitze vom Eisberg". Die anderen 90% unseres Wesens und persönlichen Ausdrucks laufen unbewusst ab; so wie sich auch bei einem Eisberg der Großteil unsichtbar unter Wasser befindet, jedoch den sichtbaren Teil steuert oder in Balance hält!
In diesem riesigen Reservoir ist ausnahmslos alles was wir je erlebt, getan und gefühlt haben gespeichert, wie in einem großen persönlichen Archiv oder Bibliothek. Vieles davon hat unser Verstand scheinbar vergessen, doch es wirkt tagtäglich in unserem Leben – auch wenn es heute nicht mehr unbedingt nützlich ist. Hier liegt auch der Zugang zu chronischen Erkrankungen, Ängsten und den meisten psychischen Leiden verborgen.
Wurden z. B. einem kleinen Kind öfters Geschichten von "bösen Geistern" in dunklen Kellern erzählt, ist es wahrscheinlich das das Kind dies als wahr angesehen und verinnerlicht hat und der heute vielleicht 50-jährige erwachsene Mann hat nun möglicherweise unerklärliche panische Angst wenn im eigenen Hauskeller durch eine defekte Glühbirne plötzlich das Licht ausgeht. Oder jemand der heute schon allein bei der Vorstellung vor einer Gruppe eine Rede halten zu sollen, wochenlang kaum schläft und schweißgebadet aufwacht, findet in Hypnose heraus, das er als Kind beim Aufsagen in der Klasse regelmäßig gehänselt und ausgelacht worden ist. Mit einem guten Therapeuten kann er in einer gezielt geleiteten Trance sich dieser damaligen Situation bewusst und mit neuen Erkenntnissen stellen und damit seine Phobie nachhaltig erlösen.
Dieser Beispiele gibt es aus der täglichen Praxis unendlich viele - und die meisten Menschen erfahren mit kompetenter Heilhypnose hier rasche und dauerhafte Hilfe bei ihren Leiden, viel schneller und effektiver als z. B. in einer Gesprächsanalyse oder anderen Therapieverfahren.
Mit dem richtigen Zugang, wie er in einer guten Heilhypnose bewirkt wird, sind die meisten tieferen Ursachen von chronischer Erkrankung, Ängsten oder Suchtverhalten wieder abrufbar und können therapeutisch aufgelöst werden. Ist die Aufdeckung der Leiden erst geschehen, wird der Weg in die seelische und körperliche Gesundheit durch das Bündnis mit der Seele und den Selbstheilungskräften des Klienten frei. Die natürliche Lebenskraft kommt wieder in Fluss und auch der Körper kann sich nun schnell regenerieren.
Eine Vielfalt von Anwendungsbereichen
Hypnose ist in ihrer Anwendungsbreite relativ einmalig, sie lässt sich zudem beliebig mit vielen anderen Therapieverfahren kombinieren (z. B. Akupunktur oder Homöopathie) und sich somit die Wirkung einer Behandlung potenzieren. Zudem gibt es für diese Therapie eine große Palette von bestens dokumentierten erfolgreichen Anwendungsbeispielen: z. B. Migräne, allergische Erkrankungen, chronisches Asthma, hoher Blutdruck, Gewichtsreduzierung, nachhaltige Raucherentwöhnung, wirksame Hilfe bei Lernproblemen oder Prüfungsängsten, Beziehungs- und Familienkonflikte, Auflösung von belastenden traumatischen Gefühlen wie Wut oder Rückzug, Phobien aller Art, Schlaflosigkeit uvm.
Mit medizinische Hypnose können die meisten psychischen und organischen Vorgänge beim Menschen beeinflusst werden; teilweise wirksamer als mit vielen Medikamenten, und das ohne unerwünschte Nebenwirkungen.
Eine besondere Form der Hypnosearbeit ist eine speziell angeleitete Rückführungstechnik auf der Lebenslinie des Klienten (TimeLine-Therapie). Hier handelt es sich um eine etwas zeitintensivere analytische Anwendung. Manchmal bis hin zur Geburt des Klienten wird gezielt nach den auslösenden Faktoren des Leidens geforscht um dann den Ursprung seiner Beschwerden systematisch "zu löschen". So können sehr alte Probleme dauerhaft "entkoppelt" und aufgelöst werden – und dies ganz ohne die in anderen Therapien befürchtete häufige Symptomverschiebung!
Ohne Vertrauen geringe Chancen
Wichtig für eine wirksame Heilhypnose-Therapie ist das Vertrauen zu dieser sanften und nachhaltigen Methode und besonders natürlich zum Therapeuten sowie eine genaue Anamnese der Probleme und beabsichtigen Ziele des Klienten! Hier hat sich ein ausführliches Erstgespräch mit einem nachfolgenden Test der Hypnosebereitschaft bewährt. Auch sollte man sich vor „Therapeuten“ hüten, die meist teure Einmalsitzungen (z. B. zur Raucherentwöhnung) anbieten, da diese "Erfolge" oft nicht von Dauer sind. Denn eine gute Arbeit mit Hypnose ist (fast) nie nur symptomorientiert, sondern aufdeckende, klärende Hilfe zur Selbsthilfe.
Viele Hilfesuchende reisen oft in ihrer Not von A nach B und lassen sich dabei auf teure und fragwürdige medizinische Versuche sowie nebenwirkungsreiche Pillen ein, um bei Misserfolgen verzweifelt zu sagen: "Ich habe doch mein Äußerstes getan"; - wie wahr, doch meist wird dabei leider vergessen auch "das Innerste" zu berücksichtigen!
Denn Krankheit – in welcher Form auch immer – ist stets ein "aus der inneren Ordnung" geraten sein, das Symptom ist häufig nur das "blinkende Warnlämpchen" welches die Not anzeigt. Der eigentliche Weg zur Gesundung liegt letztendlich immer in uns selbst. Hier ist es ratsam sich einen erfahrenen "Wegweiser" in Form eines kompetenten Therapeuten zu suchen, um die innere Ordnung mit äußerer Hilfe, wie erfolgreicher Heilhypnose, selbst wieder herstellen zu können!
Literaturtipps:
Hypnose - Milton H. Erickson u. a.
(Klett-Cotta Verlag)
Hypnose. Wie sie wirkt und wem sie hilft.
Walter & Bärbel Bongartz (Rowohlt-TB)