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Cornelia Prana-Killing

Der erfahrbare Atem - eine nie versiegende Quelle der Entwicklung menschlicher Spiritualität (Teil II)

II  Der erfahrbare Atem

"Ohne Atem gibt es keine Bewegung. Ohne Bewegung entsteht kein Leben. Bewegung erschließt neue Lebensräume. Dort, wo das rein intellektuelle Wissen aufhört, dort, wo die Erfahrung des Erlebten zum wesentlichen wird, dort liegt der Ursprung des Erfahrbaren Atems." (Ilse Middendorf)

Der Erfahrbare Atem ist ein Ausdruck, mit dem Prof. Ilse Middendorf ihre Atemlehre beim Namen nennt. Wie der Name schon verrät, bietet diese Lehre eine Chance, meinen zugelassenen Atem, den Atem, den ich durch Sammlung, Empfindung, Achtsamkeit und Hingabe mir erschließen kann, zu erfahren. Doch bevor ich mich dieser Erfahrung näher zuwende, möchte ich den anatomisch-physiologischen Aspekt des Atemablaufs veranschaulichen.




Anatomisch-physiologischer Aspekt der Atmung

"Durch die vielfache Verbindung der Atmung mit fast allen körperlichen Vorgängen ist es nicht verwunderlich, daß die Atmung von allen vegetativen Abläufen das zuverlässigste und empfindlichste Reagenz auf geistige und seelische Reizeinwirkungen ist." (L. Schmitt, Atemheilkunst)

Wir können sagen, daß die Atmung als wichtigster Stoffwechselvorgang im lebenden Organismus wirkt. Denn wer keine Luft erhält, stirbt innerhalb kürzester Zeit. Gesteuert wird unsere Atmung chemisch, vegetativ und mechanisch-reflektorisch durch das Atemzentrum, das sich im Hirnstamm am Übergang vom Rückenmark zum Gehirn befindet (verlängertes Rückenmark).

Das Atemzentrum erhält seine Meldungen u. a. von Chemorezeptoren im Aortenbogen und der Carotisgabelung, die den 02 und COZ-Gehalt im Blut messen und den COZ-Gehalt und PH-Wert (SäUresplegel) des Liquors angeben. So wird die quantitative Luftförderung dem Bedarf des Organismus angepaßt.

Die mechanisch-reflektorische Steuerung übernimmt in erster Linie die Aufgabe, den durch zuvor chemischer Steuerung erhaltenen Lufthaushalt so zu regeln, daß das Verhältnis zwischen Atemtiefe und Atemfrequenz für den Gasaustausch möglichst vorteilhaft ist. Ein Überschuß von Kohlendioxid reizt das Atemzentrum zur Abgabe von Einatemimpulsen. Über den Nervus-Vagus fließen bei Aufblähung der Lungen Erregungsströme in das Atemzentrum. Diese hemmen auf dem Höhepunkt der Einatmung deren Weiterführung über das Atemzentrum. Dadurch wird eine Umschaltung bewirkt von der Ein- zur Ausatmungsphase. Somit steuert die Lunge selbst reflektorisch über den Nervus-Vagus das jeweilige Verhältnis vom "Atemrhythmus" zum Atembedarf.

Mitbeeinflussend für die Atembeschaffenheit ist der Tonus des Zwerchfells bzw. der Atemmuskeln. Jede Tonusänderung wirkt über den Reflexbogen auf die Atemform. Beispielsweise hat ein Festhalten des Zwerchfells häufig eine vehemente Atemstörung zur Folge. Das Leben des Zwerchfells wird dann oft durch eine Tätigkeit der Brustmuskulatur ersetzt. Dies bewirkt: Brust bläht sich auf, Atem wird gezogen, Atemfluß ist erheblich gestört, Schultern verspannt etc.

Demnach greift auch das fein abgestimmte Zusammenspiel von Muskulatur, Gewebe und einzelnen Teilen des äußeren Atemapparats als Reiz in das motorische Atemgeschehen ein. Auch Einflüsse von Sinnesorganen, Hormonen, psychischen Prozessen, Dehnungsrezeptoren in Muskeln und Gelenkkapseln, Singen, Sprechen, ja sogar Denken bestimmen unser Atemgeschehen.


Der ungehinderte Atem der Säuglinge

Der Erfahrbare Atem bildet eine Brücke zwischen dem willkürlichen und unbewußten Atemgeschehen. Das unbewußte, ungehinderte Atemgeschehen läßt sich noch am deutlichsten bei einem Säugling erkennen. Wenn wir ein Kleinkind beobachten, wenn es schreit, können wir wahrnehmen, daß es seinen Schrei noch wie von der Atmung tragen läßt. Ganz ökonomisch wird hierbei die Atemkraft eingesetzt. Deshalb ist es auch für solch ein kleines Wesen möglich, sich über große Zeiträume hinweg mit seiner durchdringenden Stimme bemerkbar zu machen. Der Atembewegung des Säuglings ist also noch die Tür geöffnet, den kleinen Leib frei zu durchweben. Wie eine Welle des Ozeans bahnt sie sich.den Weg durch den jungen Körper. Wenn wir willentlich in unser Atemgeschehen einwirken, so wird dieses in seiner Ganzheitlichkeit zerrissen. Muskeln, die dem motorischen System angehören, werden eingesetzt, und die feine Koordination der unwillkürlich arbeitenden Muskulatur wird gestört. 


Die Brücke zwischen unbewusstem und willkürlichem Atemgeschehen

Der Erfahrbare Atem orientiert sich an dieser unbewußten natürlichen Atemweise, behindert sie aber nicht etwa durch ein willkürliches Eingreifen. Wage ich es, mich meinem Atem anzuvertrauen, können innere Erlebnisse entstehen, seien es Träume, Bilder, Phantasien etc.

Erinnere ich mich an meine ersten Einzelbehandlungen, so war ich doch manches mal zutiefst erschüttert und irritiert von meinem Innenleben. Doch je mehr sich meine Empfindungsfähigkeit vergrößerte, desto mehr gelang es mir, trotz erwachender Gefühle, an mein tiefstes Wesens-Ich angeschlossen zu bleiben. Meine Empfindungsfähigkeit und mein Atem wurden mir zum Leitseil. Manchmal durfte ich erleben, wie mein Atem meine Stimmung verwandelte und ich nur noch staunen konnte. Ich fühlte mich wie verzaubert! Im Vertrauen auf diese enorme Kraft konnte ich auch meine ungelebten Anteile ins Jetzt erheben lassen.

Einfach Zeugin zu sein, ohne zu bewerten, will mir schon jetzt ab und zu gelingen. Von einer Ahnung getragen, - die mir der Atem vermittelt hat - angebunden zu sein an ein höheres Dasein, begegne ich meinen alltäglichen Ängsten inzwischen ein wenig gelassener. Für mich stimmen die Worte aus der alten Lebenskunst der Chinesen mit dem überein, was meine momentane Lebensauffassung beinhaltet:

"Der Mensch kann selbst nur das hervorbringen, was in ihm ist; aus einem chaotischen und desintegrierten Geist und Charakter kann nur Chaos hervorgehen. Nur durch den Kontakt mit dem, was größer ist als das persönliche Ich, indem man sich mit ihm verbindet und von ihm lernt, kann die übermenschliche Kraft erlangt werden." (J. C. Cooper, Der Weg des Tao)

Der Erfahrbare Atem schenkt Substanz, Kraft und Fülle und gelangt zu dem ihm eigenen Rhythmus.

(Fortsetzung folgt)

 

Cornelia Prana-Killing

Neutsch 87

64397 Modautal

Telefon:  06167-291

E-Mail: prana@anandaprana.de

Website: www.anandaprana.de




Autor des Artikels und inhaltlich verantwortlich:
Cornelia Prana-Killing

Datum des Eintrags: 01.11.10  

Fachbeiträge sind von dem Autor verfasst und unterliegen dem Urheberrecht.









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Kommentare

Franziska 24-09-10 22:08
Die Artikelserie ist toll. Ich habe mich auch mit Ilse Middendorf beschäftigt. Dieser Artikel fasst die wesentliche Aspekte zusammen. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil.

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